Geschichten aus dem Hinterland

Anschluß verpasst - World Wide Waiting

Wie ich schon an anderer Stelle schreibe: Ich brauche zum Arbeiten nur Computer und Internet. Und natürlich meinen Kopf, aber da der angewachsen ist, habe ich ihn automatisch immer dabei.

 

Anders ist es da gerade mit meinem Computer. Er mag nicht mehr, bootet kaum noch, sodaß ich ihn in einem Moment, in dem er beschloß zu starten, gar nicht mehr ausschaltete und sämtliche Energieoptionen zum Runterfahren deaktivierte (das Stromwerk wird's mir danken). Damit wurde mein mobiler PC zum immobilen PC und damit konträr zu meinem mobilen Hotspot, der aber nur auf dem Berg ab einer gewissen Höhe funktioniert und Verbindung ins Netz bekommt.

 

Was tun?

Labtop über Akku traue ich mich nicht aus Angst vor einem vorzeitigen Shutdown mit anschließenden Dauerblackout. Die Lösung: Internet muß zu mir ins Haus kommen, und zwar in Form einer entsprechenden Telefonleitung.

 

Was jetzt kommt ist so witzig, daß ich es aufschreiben muß, aber ich möchte an dieser Stelle betonen, daß ich mich auf keinen Fall über die örtliche Telefongesellschaft lustig machen möchte - vergleichbare Vorgänge passieren täglich überall auf unserer Welt.

Also auf ins Shoppingcenter zum Stand der Telefongesellschaft. Drin 4 Schalter, davon 3 mit sehr jungen Damen besetzt. Man muß eine Nummer ziehen, 3 Themenbereiche dabei zur Auswahl, und dann heißt es nur noch warten. In unserem Fall 1,5 Stunden in einem zugigen Shoppingcenter-Gang. Als wir endlich drankommen, eröffnet Jose das Gespräch mit der Bemerkung, das sei jetzt gerade der Wartezeitrekord gewesen ... psychologisch vielleicht etwas ungeschickt als Opener.

  • wir: "Wir hätten gerne eine Festnetzleitung incl. Internetzugang und die Telefonnummer unseres nächsten Nachbarn ist 282...."
  • sie: "Wie ist die Adresse?"
  • wir: "[Ortsname] blabla..."
  • sie: "die ganze Adresse"
  • wir: "das war die ganze Adresse"
  • sie: "nochmal"
  • wir: "[Ortsname] blabla..."
  • sie: "nie gehört ... murmel murmel ... wie heißt das Haus"
  • wir: "Casa Poupa"
  • sie fängt an, schnell in den Computer zu tippen
  • wir: "ähm, was schreiben Sie denn da?"
  • sie: "ich suche das Haus"
  • wir: "das finden Sie nicht unter diesem Namen, nirgendwo"
  • sie tippt unverdrossen weiter, um nach mehreren Minuten nichts zu finden
  • wir weisen nochmal auf die Telefonnummer des allernächsten Nachbarn hin, damit sie anhand dessen das Gebiet eingrenzen kann
  • es nutzt nichts
  • wir machen den Vorschlag: "gucken Sie doch mal bei Google Earth"
  • sie: "ich habe kein Google Earth, nur meine Kollegin"
  • ich schmeiße den Internet-Hotspot des Konkurrenzunternehmens an, und zeige ihr mit dem Smartphone die Landkarte, es nutzt nichts
  • sie fängt an, ein Papierformular auszufüllen
  • Jose hatte glücklicherweise schon im Vorfeld angefragt, welche Dokumente wir dabei haben müssen (Kaufvertrag, Steuernummer, Perso), also können wir die vorlegen und sie macht von allem Kopien
  • dann will sie die Bankverbindung wissen - DIE haben wir natürlich nicht dabei bzw. wissen wir die Kontonummer nicht auswendig
  • die rettende Idee kommt von Jose: Gib mal die VISA-Karte, die stecken wir in den Multibanco-Apparat, dann sehen wir die Kontonummer
  • gesagt, getan - die Karte ist zwar abgelaufen, aber Kto-Nummer müßte man nachgucken können
  • beim Wegrennen rufe ich noch Simão hinterher "Du brauchst die PIN, die ist ...", vor lauter Elend nenne ich ihm die erstbeste Nummer, die mir einfällt - das ist allerdings die Telefon-PIN, aber das ist eigentlich auch egal, denn der Automat konfisziert sowieso sofort die abgelaufene Karte
  • sie: "ohne Kontonummer kann ich das nicht fertig machen"
  • wir: "aber, es soll doch sowieso erst mal der Techniker kommen und gucken, was und wie und ob überhaupt das mit der Leitung möglich ist"
  • sie: "egal, ich brauche die Kontonummer"
  • nur mit Joses Charme gelingt es zu vereinbaren, daß sie bis ca 18 Uhr, denn solange arbeitet sie, bei ihm anruft und er gibt die Nummer durch, vorher rufen wir ihn an
  • die ganze Prozedur dauert dann mehr als eine Dreiviertelstunde und die XXL-Wartezeiten sind für uns kein Wunder mehr
  • gegen 19 Uhr fragen wir bei Jose nach - sie hatte nicht angerufen, es ist nämlich so: man kann diesen Shop nicht anrufen, nur direkt hingehen oder die rufen einen an
  • am nächsten Morgen sage ich zu Simão "am besten, wir fahren halt nochmal hin", denn mir ist inzwischen auch eingefallen, daß wir gar keine Kopie dieses unterschriebenen Vertrages oder Antrags oder was immer das auch ist haben
  • vorher rufen wir Jose an und siehe da: die Senhorinha hatte ihn dann um halb zehn nachts angerufen ... also war das Ding jetzt am Laufen
  • und tatsächlich erhalte ich am übernächsten Tag eine SMS, daß die Telefonleitung eine Woche später installiert wird - heureka!
  • in den nächsten Tagen kommen 2 Anrufe in Abwesenheit, danach SMS, ich solle Nummer 800.... zurückrufen
  • ok, mache ich: klettere unseren Berg rauf, kostenlose Hotline ... portugiesisches Automatengeschwurbel: "Wenn sie dies-und-das wollen wählen Sie die 1, wenn Sie sell-und-jenes wollen, wählen Sie die 2"
  • ich verstehe nix und denke, 1 ist immer gut, wähle und bin beim nächsten Automaten, der mir sagt, ich solle zunächst die Kundennummer eingeben ... jaaa, bin ich schon Kunde? ich habe aber doch keine Papiere, keine Kopien, nix, gar nix!
  • da probiere ich die Nummer zurückzurufen, die mich eigentlich angerufen hat: 289.... - geht nicht
  • also denke ich, dann schreibe ich eine SMS an diese Nummer zurück, daß die Nachricht angekommen ist, daß wir im Haus sind und daß der Techniker oder wer auch immer kommen kann
  • tipp tipp tipp mit der Handytastatur bei vollem Sonnenschein und schlechten Sehbedingungen, alles in meinem bestem Portugiesisch, endlich fertig, absenden und...
  • tschack: geht nicht, kein SMS an diese Nummer möglich, Text auch weg
  • mein Hals wird immer dicker und ich zitiere Götz von Berlichingen
  • einen Tag vor dem Installationstag kommt wieder ein Anruf von 289... ich bin glücklicherweise da, es ist nicht zu windig, d.h. der Kontakt über Mobilfunk klappt und es wird mir feierlich mitgeteilt, zuerst in portugiesisch und dann sogar noch in englisch, daß es nicht möglich sei, mit der bestellten Festnetzleitung Internet zu empfangen, nur Telefon, ob wir dann das Ganze stornieren wollen .... ?